Ich besaß über 1000 Bücher, vielleicht sogar schon 1500. Jetzt muss ich hunderte wegwerfen.
Sie waren in drei verschiedenen Zimmern in meinem Elternhaus untergebracht. An allen drei Orten habe ich Stockflecken an den Büchern entdeckt, und – aktiven Schimmel! Es ist entsetzlich. Ich habe es am 1. November an vier Büchern bemerkt, während der folgenden Tagen dann an vielen weiteren.
Am Ende des Sommers lag die Luftfeuchtigkeit im Haus mehrere Tage lang bei über 74 Prozent – das hat vielleicht zu diesem Ausbruch geführt. Die Stockflecken habe ich allerdings schon früher bemerkt, aber damals wusste ich nicht, dass Stockflecken auch Schimmel sind.
Ich dachte immer, Stockflecken seien eben feuchter Staub, seien zwar unschön, aber harmlos, typische Alterserscheinungen bei Büchern. Doch das stimmt nicht: Auch Stockflecken verbreiten Sporen, und sie gedeihen nur bei entsprechend hoher Luftfeuchtigkeit.
Wollt ihr wissen, welche Kategorien am schlimmsten betroffen sind?
Meine Bücher über die Geschichte anderer Länder muss ich fast komplett wegwerfen. Frankreich, England, Südamerika, und außerordentlich hohe Verluste bei den Russen. Was mich besonders trifft, auch „The State of Africa“, das Buch mit einem der schönsten Cover, das je designt wurde (Ausgabe von 2013).
Die Bücher über die Antike sind ein Totalverlust. Immerhin sind das nur circa 15 oder 20, und ich mag die Antike nicht.
Drittes R und Zweiter W haben ebenfalls viele Schimmelschäden.
Meine Klassikersammlung ist nur noch ein Fall für die Tonne.
Bei meinen Bücher über Kirchengeschichte und Heilige sind die Hälfte nicht mehr zu retten. Wenigstens sind es die weniger wichtigen Bücher, die ich verlieren werde, und nicht meine Benedikt-Sammlung. Leider sind aber doch zwei Bücher mit Benedikt auf dem Cover verschimmelt. So gemein!
Und der großflächigste Befall: Meine heißgeliebte Sammlung der C.-H.-Beck-Wissen-Reihe und die Kohlhammer-Bücher über Geschichte (eine Phalanx von wundervollen gelben Bänden) sind furchtbar stockfleckig! Die Hälfte bis zwei Drittel sind vermutlich kaputt.
Hoffnung gibt es vielleicht noch hier:
Zunächst glaubte ich, ich müsste ALLE meine Mittelalterbücher wegwerfen. Sie erstreckten sich über eine ganze Wand. Die Sammlung übers Mittelalter war mein größter Stolz, da nahezu jedes der Bücher von einem Professor oder einer Professorin geschrieben war. Vieles davon Veröffentlichungen vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, Festschriften, usw. Alle großen Namen waren versammelt: Althoff, Weinfurter, Schneidmüller, Keller, Laudage. Zwei ganz besondere Teile meiner Sammlung stammten sogar aus der Privatbibliothek des leider viel zu früh verstorbenen Prof. Stefan Weinfurter: Das eine war ein Buch eines Kollegen, mit Unterstreichungen von Prof. Weinfurter höchstselbst, und das andere war die Druckversion eines Vortrags von ihm über Heinrich V. und dessen Beziehungen zu den Kirchenreformern im Reich. Ich habe sie bei einem Online-Antiquariat erstanden.
Genauso dachte ich, dass alle meine Preußen-Bücher und ALLE Bücher über Bismarck wegmüssten.
Aber vielleicht hat es diese beiden Kategorien, Mittelalter und Preußen/Bismarck, doch nicht so schlimm erwischt. Es ist jedoch noch zu früh, um erleichtert zu sein.
Die Habsburg-Bücher und die Bücher übers Heilige Römische Reich deutscher Nation in der Neuzeit sehen noch gut aus.
Und ich konnte noch nicht viel kontrollieren, aber die Bücher über Kaiser Wilhelm II. sind vielleicht auch nicht so schlimm betroffen. Es sind so viele, dass sie einen eigenen Platz haben.
Meine in letzter Zeit gekauften Bücher über Päpste scheinen in gutem Zustand zu sein, und zum Glück sind die Bücher über Agaporniden und andere Bildbände über Vögel, die in einem Schrank lagerten, noch in Ordnung! Wenn die verschimmelt wären, wäre ich am Boden zerstört gewesen.
Die Bücher von Lili Vogel und die handgeschriebenen Manuskripte sind auch unbeschädigt, wobei das wohl fast niemanden interessiert.
Zunächst glaubte ich noch, dass ich fast alle verlieren muss.
Es war so furchtbar. Es war, als wäre jemand gestorben. Ich habe meine Bücher so lieb! Wisst ihr, ich habe mir in meinem bescheuerten Leben nur noch eine Aufgabe gestellt, die ich schon gerne zu Ende bringen würde. Es wird allerdings noch ein paar Jahre dauern, weil ich so furchtbar langsam bin, da mich alles so anstrengt und da ich fast nie Zeit dafür finde, weil immer gerade meine Welt zusammenbricht. (Das Worms-Buch zu Ende schreiben.) Danach kann ich beruhigt sterben, und auch wenn man nachhelfen muss, wäre ich nicht abgeneigt. Es sollte halt funktionieren, wenn ihr wisst, was ich meine …
Aber an diesen ersten Tagen des November 2023 erwog ich ernsthaft, ob ich mich nicht schon demnächst umbringe. Der Verlust meiner geliebten Büchersammlung war solch ein schrecklicher Schlag.
Meine Mum sagte mir immer, ich solle die Bücher behalten, solle sie eben in Kartons auf dem Dachboden deponieren – wenn sie auch alt und hässlich werden, egal, ich solle sie eben behalten.
Aber auf dem Dachboden sind sie ja auch wie weg. Aus den Augen, aus dem Sinn; außerdem ist es dort bitterkalt und im Sommer sehr heiß.
Ich hatte schon 24 Preußenbücher in die Papiertonne geworfen, darunter auch zwei über Bismarck. Am nächsten Tag warf ich die Drittes-R-Bücher (es waren auch welche vom Widerstand verschimmelt, was mich besonders traurig stimmte! Die Widerstandsbücher waren mir immer sehr wichtig!) draußen auf den Tisch, weil es zu dunkel war, um sie zur Tonne zu bringen. Und am selben Tag oder danach (es war ein Sonntag) trug ich die Mittelalter-Bücher, die am schlimmsten betroffen waren, nach unten in den Flur, damit man sie wegwerfen konnte. Es waren hunderte. In der Papiertonne war definitiv nicht genug Platz, die könnte keiner mehr herumschieben.
Mein Vater erbot sich, die Bücher am nächsten Tag zum Recyclinghof zu bringen.
Und ich hatte schon tagelang geweint, aber da war es einfach zu viel. Ich kniete mich zu den Bücherstapeln auf den Boden, legte zwei der Stapel eine Hand auf, und weinte so sehr. Es war, wie wenn ein Pferd stirbt.
Da sagte auch mein Vater, der sonst immer zu scherzen pflegt, dass ich alle meine Bücher wegwerfen solle: „Behalte sie doch! Wir machen in der zweiten Garage einen Platz frei, und dann können sie da lagern!“
Meine Mum war auch gleich dafür. Schlussendlich können wir alle nie was wegwerfen.
Wir haben die Bücher übers Dritte R, die zu dieser Zeit schon zwei Tage im Freien lagen (es regnete dauernd!), in der hinteren Garage deponiert, diejenigen über den Widerstand in der Garage im Haus, die Mittelalterbücher in mehreren Kartons im Flur und in einem anderen Zimmer.
Mein Vater hat sogar aus eigenem Entschluss einen Teil der Preußen-Bücher aus der Tonne herausgeholt, freundlicherweise auch die zwei über Bismarck, obwohl er ihn nicht mag. Aber ich glaube, er weiß, dass ich Bismarck-Fan bin.
Am nächsten Tag haben wir dann noch die restlichen Preußen-Bücher aus der Tonne geholt. Ist das nicht ein jämmerliches Bild? Aber es passt perfekt zu meinem Leben. Und ich finde es sehr nett, dass meine Eltern dabei mitgemacht haben. Am Ende habe ich die Tonne auf den Boden gelegt und mit einem Karton die letzten Bücher herausgefischt.
Vorbeifahrende werden sich wohl gedacht haben: „Das sind richtig arme Leute, wenn sie ihre eigene Mülltonne plündern müssen.“ Das ist schon wieder lustig.
Ich habe das Zimmer, in dem meine Mittelalterbücher, meine Kirchenbücher, die C.H-Beck-Wissens und die Kohlhammer-Urbans sowie die Antiken- und Drittes-R.-Bücher wohnten, komplett ausgeräumt. Meine Eltern haben mir dabei geholfen.
Jetzt ist das ganze Haus voll mit Büchern. Ich kann nicht einmal mehr normal laufen, weil kein Platz mehr ist. Ein weiterer Blog-Artikel folgt.