Archiv der Kategorie: Dietrich von Bern

Wirre Worms-Fakten

  • Laut ursprünglichem Plan sollte König Gibich in der ersten Szene sterben.
    Dann, wegen Planänderung, in der zweiten.
    Dann bei der Hälfte von Band 1.
    Endstand: Er stirbt am Ende von Band 2 …
  • Ich kann Walther von Spanien nicht ausstehen. Weder in der Sage noch in meinem eigenen Roman. Das liegt wohl daran, dass er in der Walthersage (und vor allem in der Thidrekssaga) als der bessere Kämpfer dargestellt wird, soll heißen besser als Hagen. Nein, nein, das glaube ich nicht. Und intellektuell kann Walther ihm ohnehin nicht das Wasser reichen. Blöder Walther.
  • Der Hunnenname Munsuc müsste eigentlich Mundzuc heißen. (So wird er in den antiken Quellen wiedergegeben. Attilas Vater hieß so.) Weil das beim Lesen jedoch dämlich aussieht, habe ich die Schreibweise des Namens abgeändert. Wenn man Mundzuc betont schnell ausspricht, klingen das d und das z fast wie ein s.
  • Ich mag Kriemhild im Epos nicht. Figuren, die aus Rache (also praktisch aus Liebe) Massenmorde anordnen, finden nicht meinen Beifall. – Figuren, die aus politischen Gründen einen Mord akzeptieren/begehen, sind natürlich böse. Aber eben auch berechnend, und ich mag in Büchern die Bösen immer viel mehr als die Guten, denn die Bösen sind intelligent. Kriemhild lässt sich nur von Gefühlen leiten, Gunther und Hagen von Ratio und Realpolitik.
  • Ich habe zur Recherche ein Buch gekauft, das die Briefe des Bischofs Avitus von Vienne und seiner Korrespondenten enthält, unter anderem auch Briefe der Burgunderkönige Gundobad und Sigismund. In Band drei werde ich dann Zitate daraus verwenden (aber natürlich so versteckt, dass sie nicht auffallen).
    Außerdem habe ich ein Buch mit Briefen von Wilhelm I. und Bismarck gekauft (ein Reprint in Fraktur), aus dem wird ebenfalls zitiert werden. So schrieb Wilhelm I. einmal nach einem Zerwürfnis (mit Rücktrittsdrohung von Bismarck): „Mein größter Wunsch ist es doch, mit Ihnen (…) immer fest einverstanden zu sein.“
    Dieses Zitat wird hundertprozentig ins Worms-Buch übernommen! So besänftigt man als Monarch seinen verstimmten Berater … 🙂
  • Gunther schreibt man mit h, weil der Name aus Gunt (Kampf) und Her (Heer) zusammengesetzt ist. Dasselbe Wort „Her“ findet man auch in Walther, und es war ursprünglich auch in Volker (=Volkher) und Werner (=Werinher) vorhanden
  • Hagen bedeutet „der Beschützer“, und ist etymologisch verwandt mit Hag, Hecke, engl. hedge. Daher auch „umhegen“ = „mit einer Hecke umgeben“.
  • Ich war schon dreimal in Worms.
  • Otto der Jüngere? Endlich einer aus Team Diversity! 🙂 Ich mag beide Ottos.
  • Die Pferdenamen stammen alle von mir.
  • Gunther ist voll der Bildungssnob. „Claudius“ hat er seine verkrüppelte Taube genannt, „Argentum“ seinen Apfelschimmel und „Cuprum“ den Fuchs. Was für ein Streber!
  • Ich finde es immer super, wenn ich Menschen treffe, die wie die Figuren aus dem Nibelungenlied heißen. Ich kenne schon vier Siegfrieds, drei Volkers, vom Hörensagen eine Kriemhild, außerdem eine Brunhilde, einen Ortwin – und einen Gernot 🙂 – Er heißt zwar nicht Etzel, aber ich kenne auch einen Attila! Und ich war einmal in demselben Opernsaal, in dem eine Ute arbeitet. – Und er hat zwar Ü-Pünktchen, aber ich kenne auch einen Günther, einen sehr liebenswürdigen. Wow, die sind ja fast vollzählig …

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Weihnachtsgeschenk 2018

Es ist ein bisschen spät für ein Weihnachtsgeschenk, aber wenn man was umsonst bekommt, will man ja nicht meckern, oder nicht?

Hier eine Kurzgeschichte zu „Dietrich von Bern – König ohne Reich und Krone“.

 

Dietrich von Bern schleppte sich die letzten Stufen zur Schwarzen Burg hinauf. Sein Umhang peitschte im Wind, Schneeflocken kratzten in seinem Gesicht. Die Böen drangen durch das Kettenhemd und ließen ihn frösteln trotz seines ledernen Wamses. Er murmelte einen Fluch und kämpfte sich weiter.
Der Aufstieg zur Schwarzen Burg war niemals gefährlicher als im Winter; ein falscher Tritt, und man stürzte hinab in den klaffenden Abgrund, brach sich das Genick und endete als Brei für alte, zahnlose Wölfe. Unter der Schneeschicht verbargen sich Krater und Risse; Eisfelder schleuderten den arglosen Wanderer mit Schwung hinunter, und es hieß, nur wer lebensmüde oder ein wahrer Held war, wagte es, im Winter hier hinaufzuklettern.
„Hör zu, Nagelring“, sagte er zu seinem treuen Schwert. „Viele Kämpfe haben wir beide schon bestanden, gegen die prächtigsten Gegner – doch jedes Mal gingen wir lebend daraus hervor; wir besiegten den unverwundbaren Siegfried von Xanten genauso wie den stolzen Wittich, den furchtlosen Iring von Thüringen und den unausstehlichen Hildebrand.“
Hildebrand hinter ihm seufzte.
„Wir besiegten den mächtigen Lüdeger von Sachsen und den – ähm – König von Burgund, dessen Schwertkampfkünste genauso groß sind wie seine Entschlossenheit.“
„Das ist nun wahrlich keine Errungenschaft, den zu besiegen“, sagte Hildebrand. Ewig grantiger Alter!
„He“, sagte Dietrich, „gibt Acht auf deine Worte, alter Mann! In dieser Kälte könntest du leicht stolpern, und wenn ich vergrämt bin, vermag ich es vielleicht nicht, dich noch rechtzeitig am Fallen zu hindern. – Also, Nagelring: Außerdem besiegten wir sogar den Herzog von Tronje, der so grimmig ist, dass man ihn für einen unehelichen Sohn meines alten Hildebrands halten –“
„Nie wurde ich schlimmer beleidigt als heute! Außerdem war der Tronjer bei eurem letzten Zweikampf schon arg angetrunken.“
„Ach was, diese Rheinländer sind trinkfest! – Wie dem auch sei, Nagelring, unser härtester Kampf steht uns noch bevor: Wir wollen kämpfen gegen den Herrn dieser starken Burg, gegen den Schwarzen Ritter, den Schrecken des Landes!“
Eine besonders garstige Böe wehte Dietrich den Umhang über den Kopf. Er fluchte und streifte ihn zurück. Beinahe verlor er dabei das Gleichgewicht und wäre seinem Tod entgegengestürzt – hätte ihn nicht der alte Hildebrand gestützt, wie es sich für einen wackeren, treuen Gefolgsmann gehörte.
Dietrich schnaufte und schaute nach oben. Aus dem grauen Himmel fielen unentwegt die Flocken herab; vor ihm ragte eine schwarze Masse in die Höhe: der Schwarze Turm des Schwarzen Ritters. Diesmal umkreisten ihn keine Krähen; die Krähen waren wohl alle erfroren oder hatten sich in die Wälder im Tal verkrochen.
Niemand hatte den Schwarzen Ritter je im Zweikampf besiegt. Wer ihn zum Kampf forderte, war ein toter Mann.
Dietrich würde den Kampf wagen, wie er es dem Schwarzen Ritter einst versprochen hatte. Er müsste nur darum bitten, dass er sich vorher am Feuer aufwärmen dürfte, er war steif wie sein Schwert. Seine Nase war vermutlich blau wie ein Saphir. Er ballte die Faust und schlug kraftvoll gegen das geschwärzte Tor aus Eichenholz.
Nichts regte sich. War der Schwarze Ritter bereits erfroren? Es nähme ihn nicht wunder. Hildebrand neben ihm wuchsen bereits Eiszapfen aus dem Bart.
Der Wind rüttelte an ihnen beiden und wollte sie hinabstoßen. Dietrichs Zähne klapperten; das gehörte sich natürlich nicht für einen großen Helden, deshalb fing er an zu summen, damit es schiene, als singe er eine heitere Weise. Er stampfte dazu, als schlüge er den Takt.
„Ein großartiger Einfall“, sagte Hildebrand. „Im ärgsten Winter auf Wanderschaft gehen! Nun stehen wir hier herum wie Lots Frau.“
„Pah“, sagte Dietrich, „er wird öffnen!“
Erneut hob er die Faust und hämmerte gegen das Holz. Zwei Eiszapfen fielen herunter und hätten ihn fast durchbohrt. Zum Glück trug er seinen Helm.
Nichts. Der Wind heulte um sie her, und Dietrichs Zähne klapperten.
„He!“, rief er hinauf, „Schwarzer Ritter! Hast du mich vergessen? Ich bin Dietrich von Bern, der große Held, und fordre dich zum Kampf! Und außerdem ist es hier verdammt kalt! Das ist nicht gastlich, die Leute vor der Türe erfrieren zu lassen!“
„Dein Lehrmeister muss ein unhöflicher Mann gewesen sein!“, fügte Hildebrand hinzu.
Nur der Wind heulte so hingebungsvoll, als wolle er sie nachäffen.
Auf einmal erklang ein schabendes Geräusch, Holz auf Holz: Der Riegel wurde zurückgeschoben. Das schwere Eichentor bewegte sich. Langsam schwang es auf und gab den Blick frei auf den Innenhof der Schwarzen Burg, mit einem blätterlosen Rosenbogen, einem zugefrorenen Teich, auf dem die Enten umherwatschelten, und verhärmten Kirschbäumen. Eine schlanke Ricke stakste vorbei in Richtung einer Raufe voll Heu. Vor ihnen stand ein kleiner Knappe, ganz in Schwarz.
„Gott, ist das kalt. Was wünscht Ihr?“, sagte er mit noch weibisch hoher Stimme.
„Ich komme, um zu kämpfen gegen deinen Herrn! Er soll sein letztes Gebet sprechen und sich wappnen.“
„Da kommt Ihr gerade recht“, sagte der Kleine. „Nur herein mit Euch!“
Er führte sie in die Burg, durch eine Türe und eine Treppe hinunter. Brachte er sie in den Kerker, in dem der Schwarze Ritter seine Gefangenen folterte? Schreie stiegen zu ihnen herauf, das Gejohle blutrünstiger Kerkermeister, irrsinniges Gelächter.
Dietrich legte die Hand ans Heft und wollte Nagelring halb ziehen – es ging nicht. Es war festgefroren.
„In meiner Jugend waren die Winter viel härter“, sagte Hildebrand. „Damals ging mir der Schnee noch bis zum Hals!“
„Damals warst du auch nur so groß wie ein Hase.“
„Unsinn! Ich war früher viel größer, als mich Kummer und Sorgen noch nicht verbogen hatten wie ein misshandeltes Schwert! Außerdem –“
Dietrich zischte um Ruhe. In das Geschrei mischten sich auch Geigenklänge. Eigenartiger Kerker.
Der Knappe blieb stehen und stieß eine schwere Holztüre auf. Dietrich trat hindurch, bereit, sich zu verteidigen, falls ihn ein Feind angriffe. Dann erstarrte er.
Das war nicht der Kerker. Es war der Weinkeller, und hier fand ein Fest statt: Gewiss hundertfünfzig Leute drängten sich um die Fässer oder saßen auf Bänken; manche tanzten sogar auf den Tischen. Es waren Menschen und Zwerge, Frauen und Männer, manche kannte er sogar: In einer Ecke stand ein blonder Recke, mit einer Statur wie der heidnische Donnergott, und stemmte zwei Weinfässer hoch, indessen die Mädchen ihm zujubelten. Das war Siegfried von Xanten, Drachentöter und Angeber, wie es keinen zweiten gab. Hildebrand behauptete immer, Dietrich und Siegfried seien Brüder im Geiste. Hildebrand erging es wie allen Alten: Das Greisenalter hatte ihn nicht mit Weisheit, sondern nur mit Missmut gesegnet.
Umringt von Zwergen und Menschenkriegern saß Olm, der Zwergenkönig, ihm zur Seite sein schönes Weib, dessen liebliches Aussehen mit seinem kratzbürstigen Wesen so gar nicht zusammengehen wollte. Gerade zeterte es, Olm solle nicht immer den Weinkelch umherschwenken, dass die Hälfte herausschwappe, sie trage ein weißes Kleid, und es sähe ja bald aus, als habe sie einer Mordtat beigewohnt in nächster Nähe! Olm erklärte, so umständlich würde niemand denken, man schlösse vielmehr, sie habe höchstselbst jemanden ermordet – mit bloßen Händen.
Die Schwägerinnen des Zwergenkönigs tanzten zusammen auf einem Tisch, wobei einer der begeisterten Zuschauer ein ums andere Mal ausrief, von den Sprüngen der Dicken bräche bald alles zusammen, und er wolle sie gerne auffangen, wenn sie fiele.
„So dick ist sie nun auch wieder nicht“, sagte Dietrich empört. Heutzutage wollten die Männer offenbar keine Weiber mehr, sondern Zweige. In seiner Jugend wusste man wahre Schönheit noch zu schätzen – ach weh, er redete ja schon daher wie der alte Hildebrand!
Auf einem anderen Tisch stand ein Spielmann und geigte munter vor sich hin. Die Weise, die er spielte, vertrug sich allerdings keineswegs mit dem Lied, das die Umstehenden sangen; eine ganz wüste Weise war es, irgendein schamloses Trinklied aus Schwaben, das davon handelte, dass über den Wüsten Afrikas einst ein Meer aus Bier schwappte, ehe der Sänger alles ausgesoffen hatte.
Iring von Thüringen und Lüdeger von Sachsen kauerten einander gegenüber an einem Tisch und widmeten sich dem Armdrücken. Das betrieben sie mit so viel Ernst, dass immer wenn einer zu unterliegen drohte, seine Gefolgsleute hinter ihm schon die Dolche zogen.
Der Burgpriester lehnte an einem Weinfass, ins Gespräch vertieft mit König Gunther. Der Burgunderkönig hatte offenbar schon fünf Kelche zu viel, denn er plapperte und fuchtelte mit einer Hingabe, die man bei seinem gedämpften Temperament gar nicht für möglich gehalten hätte. Dietrich schnappte ein paar Gesprächsfetzen auf: „Anathema“ und „Häretiker“, „Interdikt“ und „Translation“. Den guten Gunther hatte wohl niemand je gelehrt, was passende Gesprächsinhalte für eine Feier waren.
Der Spielmann (in dem Dietrich nun den Herrn von Alzey erkannte) verlor offenbar die Geduld ob der schnöden Kunstverächter, endete mit einem schrillen Misston und sprang vom Tisch herab, indem er empört vor sich hinmurmelte. Niemand schien das Ende seines Vortrags zu bedauern.
Das Grüppchen, das ihnen am nächsten stand, brach in schallendes Gelächter aus. Es waren drei Zwerge und Hagen von Tronje. Er hatte offenbar schon ein Fass zu viel getrunken, denn der Tronje lachte nur, wenn er sturzbetrunken war oder eine Stadt niedergebrannt hatte. Er bemerkte Dietrich und kam her, schon arg wankend.
„Isch grüß Euch, Könisch Diedrisch“, sagte er. Diese Wormser konnte keiner mehr ernst nehmen, wenn sie erst einmal betrunken waren.
„Heiteres Fest, wie?“, sagte Hildebrand. „Was erzählen die Zwerge so Lustiges?“
„Isch weiß nicht, es war auf Zwergisch. Aber luschdisch war’s schon.“ Er grinste versonnen in seinen Becher, als teile der mit ihm irgendein unheilbringendes Intrigantengeheimnis.
„Was feiert man denn?“, sagte Dietrich, „und wo ist der Burgherr?“
Hagen – nicht ohne Ursache warnte man alle Leute vor seiner messerscharfen Klugheit – drehte seinen Becher um, stellte fest, dass nur noch ein Tropfen herausfiel und kam zum Schluss, sein Becher müsse somit leer sein. Den nächsten Knappen, der vorbeistürmte, hielt er mit dem Dolch auf und tauschte seinen Becher gegen den ganzen Krug.
Dietrich winkte ab und stürmte an ihm vorbei. Irgendjemand musste doch noch nüchtern genug sein, um ihm zu erklären, was hier vor sich ging!
Es war so heiß, inzwischen war er wieder aufgewärmt und in bester Verfassung für den Zweikampf.
„Ich grüß Euch, König Dietrich!“, sagte König Gunther. „Wie –“
Dietrich winkte unwirsch ab. Kreischen drang durch den Weinkeller, dass es wahrhaftig klang wie bei der Folterung armer Weiber. Das kam von den Mädchen, die jetzt auf den Weinfässern saßen und mitsamt Fass vom Xantener hochgehoben wurden. Die hatten alle den Verstand verloren.
„Dietrich von Bern, seid mir willkommen!“
Eine unbekannte Stimme. Sie gehörte einem Mann in weißem Gewand. Er eilte auf ihn zu und breitete die Arme aus. „Wie freue ich mich, dass Ihr hier seid!“
„Wer seid Ihr?“
„Ich bin es doch, der Schwarze Ritter!“
„Ihr! Ha! Ich fordre Euch zum Zweikampf, wie ich es Euch versprochen habe, wisst Ihr noch?“
„Aber ja doch! Nie habe ich Euch vergessen. Doch heute wollen wir nicht kämpfen, lasst uns lieber feiern, denn heut ist mein Geburtstag!“
„Oh“, sagte Dietrich. „Glückwunsch und Gottes Segen wünsche ich Euch, dazu noch ein langes Leben und einen nachsichtigen Priester für die letzte Stunde.“
„Das heißt freilich, dass du morgen unterliegen wirst“, sagte Hildebrand.
„Ein großes Fest“, sagte Dietrich. „Alle Eure Freunde habt Ihr eingeladen, wie ich sehe.“
Der Schwarze Ritter winkte ihn näher heran und raunte ihm ins Ohr mit einem Blick in Richtung der Burgunden: „Es sind auch ein paar dabei, die ich nur der Höflichkeit halber einlud.“
Dietrich nickte verständnisvoll.
Der Schwarze Ritter schnippste seinem Knappen, und ließ Dietrich einen Weinkelch reichen.
„Auf Euch!“, sagte Dietrich herzlich.
„Oh, seht! Es ist soweit, die Zwerge sind bereit!“ Der Ritter deutete hinüber ans andere Ende, wo man ein Podest aufgebaut hatte. Sechs Zwerge stiegen gerade hinauf, und ein Mensch – das war ja sein Ulf!
Auf dem Podest lagen bereits Trommeln, Hörner und Schellen. Gelächter und Händegeklapper begrüßte die Gruppe, woraufhin sich alle sechs verneigten. Dann nahmen sie Platz auf den bereitgestellten Schemeln. Der Zwerg hinter der Trommel ergriff zwei Stöcke. Ulf ruckte dreimal mit dem Kopf, als wolle er ein paar wirre Gedanken herausschleudern, und griff in die Saiten seiner Leier. Mit hoher Stimme sang er eine fröhliche Weise, vom besten Kämpfer des Erdenrunds. Die Zwerge begleiteten ihn mit rauen Stimmen, und der Trommelzwerg ruckte so heftig mit dem Kopf, dass Dietrich schon befürchtete, er löse sich bald vom Hals. Einmal verfingen sich seine Stöcke in seinen Barthaaren, da hörte das Getrommel eine Weile lang auf, bis er sie wieder befreit hatte. Im Kehrreim behauptete Ulf jedes Mal, der beste Kämpfer sei der Schwarze Ritter.
Dietrich wandte sich um. Den anderen Recken gefiel das Lied auch nicht übermäßig: Der Xantener schmollte, Iring von Thüringen rollte die Augen und Lüdeger von Sachsen sang leise mit, wobei er „der beste“ zu „der blöd’ste“ verballhornte. Der Herr von Alzey hatte die Arme vor der Brust verschränkt und machte eine Miene wie ein Jahrtausenddichter, dem man einen Stümper vorzog. Gunther lauschte höflich und griff sich nur manchmal ans Ohr, und Hagen lehnte am Weinfass und füllte seinen Krug nun gleich selber nach.
Dietrich schüttelte den Kopf. Die Musik von heute war furchtbar; in seiner Jugend war alles viel besser gewesen. Er wurde vermutlich alt, und er war froh darüber!
In einer Pause erhob sich Lüdeger von Sachsen und hielt eine Ansprache zu Ehren des Geburtstagskinds. Danach ergriff der Xantener das Wort, lobte den Schwarzen Ritter für seine heiteren Feste, wie man sie nirgends sonst erleben konnte. Iring von Thüringen ließ einen Knappen ein Gedicht aufsagen; Zwergenkönig Olm sagte sein Glückwunschgedicht sogar selber auf, auf Zwergisch, es könnte auch ein Fluch sein, so grob wie diese Sprache klang. König Gunther brachte es zustande, in seiner Rede drei Bibelverse zu verstecken, und wenigstens den Tronje ließ man schweigen.
Der Schwarze Ritter erstieg das Podest. „Ich bedanke mich für Euer Kommen“, rief er, „und vor allem begrüße ich erneut den kühnen Recken Dietrich von Bern, der mich, was mir eine große Ehre ist, zum Kampf gefordert hat! Morgen will ich gegen ihn antreten, heute aber wollen wir alle miteinander in Frieden leben! Hurra!“
Man hob die Becher und trank.
„Wenn du weiter so säufst, wirst du morgen im Kampf unterliegen“, sagte Hildebrand.
„Ach, Unsinn, ich bin trinkfest!“
„Lasst uns auf Dietrich trinken!“, rief der Schwarze Ritter. „Auf jeden Buchstaben seines Namens!“ Er winkte den Burgunderkönig her, ihm die Buchstaben einzusagen. Nach acht Bechern fragte sich Dietrich, wie er morgen den Kampf bestreiten sollte. Der Schwarze Ritter trinke aus Gewissensgründen nur Wasser, hatte Gunther ihm verraten. Oh, verdammt.
„Nun lasst uns auf Siegfried trinken!“, rief der Schwarze Ritter. „Wenn er mir die Ehre erweist, morgen im Zweikampf gegen mich anzutreten, auf Leben und Tod, wäre mir das die hehrste Freude!“
Nachdem man auf jeden Buchstaben seines Namens getrunken hatte, trank man auf Iring, auf Lüdeger, auf Gunther und auf Hagen. Jeden forderte der Schwarze Ritter heraus, und keiner war so feige oder so vernünftig, dass er ablehnte.
Sie würden alle sterben.

***

Als er erwachte, wogte ein Zeltdach über ihm. Auch die Erde wogte, als würde er auf einem Schiff liegen. Zum Teufel, war er tot? Diese Kopfschmerzen, waren das die Qualen der Hölle oder die Qualen eines Katers? Er stöhnte und griff sich an die Schläfen.
Wenn der Schwarze Ritter ihm bei Zweikampf den Kopf abschlüge, wäre es gar nicht so schlimm.
Neben ihm knurrte der Alte: „Auch wach, he?“
„Wo sind wir? Im Grab?“
„Hast du Erde im Maul?“, fragte Hildebrand grantig. „Nein? Eben.“
Dietrich seufzte. Rauch drang in seine Nase, und ihm war schlecht wie nach seinem allerersten Besäufnis.
„Er wird dich umbringen.“
„Hm“, sagte Dietrich. „Da hoffe ich, dass die alten Sagen verschweigen, dass ich an den Folgen eines Katers starb, das wäre ja allzu peinlich.“
Der Stoff neben ihnen wogte.
„Ich grüße Euch, meine Freunde!“, rief der Burgunderkönig, so heiter und so laut, als wäre heute nicht der Tag seines Todes.
„Verdammt, der wird uns überleben“, murmelte Hildebrand. „Diese trinkfesten Rheinländer!“
Hinter Gunther trat Hagen herein, eisern und stolz wie immer.
„He“, sagte Dietrich vorwurfsvoll, „warum geht es dir so gut?“
Hagen hob die Braue über seinem einen Auge. „Nichts erhellt das Gemüt so leicht wie Erfolg.“
„Der Schwarze Ritter ist – war ein Schurke“, sagte Gunther. „Er verleitete Euch zum Trinken, bis Ihr nicht mehr bei Sinnen wart, und wollte Euch alle schmählich meucheln in einem sogenannten Zweikampf.“
„In Eurem Zustand wäre das eine Hinrichtung geworden“, sagte Hagen. „Wir aber durchschauten seine List.“
„Wir erlaubten es nicht, dass er Euch und die anderen hervorragenden Recken hinmordet.“
„Deshalb kämpfte ich gegen ihn als erster, denn ich war gar nicht betrunken, ich gab es nur vor.“
„Und natürlich hat er ihn besiegt“, sagte Gunther stolz.
„Und erschlagen“, sagte Hagen.
„Unabsichtlich“, sagte Gunther.
„Natürlich.“
„Und somit kann der böse Schurke Euch kein Leid mehr antun.“
Dietrich stemmte sich hoch. Der Rauchgeruch wurde immer stärker. „Und ihr habt seine Burg niedergebrannt, nicht wahr?“
„Ja nun“, sagte Gunther.
„Es bot sich an“, sagte Hagen. „Aber dafür könnt Ihr alle weiterleben! Vielen Dank für Eure Dankbarkeit.“
Gunther winkte verlegen ab, als wäre Dietrichs noch gar nicht gezollter Dank viel zu viel.
„Ihr Narren“, sagte Hildebrand. „Die Burg niederbrennen! Wisst Ihr nicht, dass der Schwarze Ritter in den Tunneln unter seiner Burg Schätze ohne Zahl hortete? Die sind jetzt alle verloren.“
„Frohe Kunde!“, sagte Hagen, „sie sind nicht verloren! Sie haben sogar schon einen neuen Herrn gefunden, der sie viel besser zu nutzen weiß.“
Gunther neigte sich.
„Und zum Dank für Eure Rettung überlasst Ihr das Gold gerne meinem König“, fuhr Hagen fort.
„Es ist uns eine Freude, ehrenwerte Männer zu retten“, sagte Gunther. „Ich würde es jederzeit wieder tun.“
Sie wandten sich um und brausten hinaus.
Dietrich ließ sich wieder aufs Lager fallen. „Diese Aaskrähen“, sagte er. „Ich bin mir sicher, ich hätte ihn trotzdem besiegt!“
„Jaja“, sagte Hildebrand, „was unmöglich zu beweisen ist, das will immer jeder können!“

Veröffentlichung: Der König von Burgund und die Geisel

Jeder kennt die Abenteuer von Siegfried dem Drachentöter – hier ist die Vorgeschichte seiner Feinde …
Die Königreiche Europas zittern vor Etzel, dem grausamen Hunnenkönig. Damit Burgund von seinen Reiterhorden verschont wird, muss König Gibich dem Hunnenherrscher eine Geisel stellen: Hagen von Tronje, den Sohn seines wichtigsten Beraters. Hagen schafft sich viele Feinde am Hunnenhof, doch Etzel beschließt, aus ihm den besten aller Krieger zu machen.
König Gibichs Sohn Gunther wird den Thron erben. Aber ist er wirklich geeignet, ein Reich zu führen? Gibich hegt seine Zweifel daran – da bricht ein Krieg aus zwischen Sachsen und Burgund …
Ein mächtiges Historienepos, das all die Abenteuer erzählt, die uns die alten Sagen bisher verschwiegen haben!

Der erste Band einer neuen Reihe über die Burgunden aus dem Nibelungenlied.
Der Roman ist keine Nacherzählung, sondern erweitert den bestehenden Sagenkosmos um neue Figuren und Geschichten.

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Was sich Autoren dabei denken – Teil 1

Hier möchte ich einmal einen Einblick geben in die Arbeit als Autorin. Wie schreibt man ein Buch? Wie formuliert man Sätze? Denkt sich die Autorin etwas dabei, oder tippt sie einfach so drauflos?*
Dazu zeige ich anhand eines kleinen Ausschnitts aus „Dietrich von Bern: König ohne Reich und Krone“, welche Gedanken in die Erstellung einer Romanszene einfließen.**

Es handelt sich hierbei um den Anfang des Kapitels „Die Aaskrähen kommen“, in dem die Burgunden von Worms zum ersten Mal auftreten.

Aaskrähen kreisten über ihnen.

Alliteration! Krähen kreisten. 1.: Ich liebe Alliterationen. Ich finde, sie verleihen jedem Satz gleich mehr Kraft. 2.: Die Burgunden Gunther und Hagen treten auch auf in Richard Wagners „Götterdämmerung“. Dort singen die Figuren in Stabreimen. Jede Alliteration in Szenen der Wormser ist ein Gruß an Wagner!

Böse Zungen nannten Gunther den König der Aaskrähen. Er wünschte den Besitzern dieser Lästerzungen einen qualvollen Tod, langwierig und elend.

„Böse Zungen“: „alt“ klingende Formulierung. Man soll ja sehen, dass wir im Mittelalter sind.
Zitat aus der Götterdämmerung, 2. Aufzug 4. Szene: „Die Zunge, die sie lästert, soll ich der Lüge sie zeihen?“
„Langwierig und elend“: Eigentlich impliziert ein qualvoller Tod die Adjektive „langwierig und elend“, insofern ist diese Stelle redundant und damit überflüssig. Aber ich entschied mich dafür, weil 1.: die zwei Adjektive verstärken den Satz; die Endung auf „qualvollen Tod“ wäre für mich zu leise, denn „Tod“ ist ein eher weiches Wort, weil es auf „d“ endet, und 2.: sie verdeutlichen die Emotionen der perspektivtragenden Figur. Er empfindet den Lästerern gegenüber geradezu übertriebenen Zorn.

– Das Schlachtfeld war übersät mit Toten. Schlachtfelder waren alle gleich: Das Stöhnen der Sterbenden, die Rufe nach der fernen Mutter, der Flügelschlag der Krähen, der Geruch nach zerstampfter Erde und Blut. Die Sonne blinkte auf zerborstenen Schwertern und rotgefärbten Kettenhemden, gespaltenen Helmen und weiten Blutlachen; man könnte meinen, den Himmel erquicke dieses Schlachtfeld ohne Maß.

Viele Alliterationen. Die geradezu lapidare Aufzählung soll zeigen, dass die Figur sich nicht näher mit dem Schlachtfeld befassen will; sie will Distanz zwischen sich und ihre Umgebung bringen. Die vielen „fs“ und „schs“ lassen den Text wie gezischt oder geflüstert wirken. Diese Figur will auf dem Schlachtfeld nicht lachen oder lustig sein. Außerdem mag ich Zischlaute, und gerade bei dieser Figur treten vermehrt welche auf (das hatte ich nicht geplant, das ergab sich so). Ich finde, es passt zu ihr. Zischlaute klingen intrigant und verlogen.
„erquicke“: gemäß Duden ein Wort des „gehobenen“ Sprachgebrauchs. Das passt, denn der Perspektivträger ist ein Höfling und verfügt über – für seine Zeit –beachtliche Bildung.

Keine Wolke in Sicht. Die Sieger müssten sich beeilen bei der Bergung ihrer Verwundeten.

Ein klarer Fall von Euphemismus. Wenn es heiß ist, setzt die Verwesung schneller ein. „Die Sieger müssten sich beeilen …“ soll ungerührt klingen.

Gunther hielt sein Pferd an. Wie so oft gehorchte er Hagens Rat nicht:

Satz 2: Mein Lieblingssatz im ganzen Buch!!!
Man könnte jetzt natürlich sagen: Das ist eine falsche Kollokation! Es heißt nicht „jemandes Rat gehorchen!“ Man kann auf Rat hören oder vielleicht einen Rat befolgen, aber doch nicht gehorchen! Man gehorcht Befehlen!
Doch das ist gewollt. Mit diesem Satz ist das Verhältnis zwischen König Gunther und seinem Vasallen Hagen so kurz wie möglich definiert.

Nun ließ er den Blick schweifen übers Schlachtfeld, damit er jeden Funken Elend in sich aufnehmen und monatelang daran leiden konnte. Ganz gleich wie viele Schlachtfelder er sähe, niemals würde es ihn abhärten; sein Herz war zu sanft dafür. Hagen neigte sich zu ihm und raunte: „Es hilft nichts. Sieh nicht hin.“
„Wenn ich nicht helfen kann, so will ich doch trauern“, sagte Gunther.

Eigentlich müsste es heißen: „übers Schlachtfeld schweifen“. Doch dann folgen zu viele Endungen auf -en. Ein Satz mit zu vielen -en als Endsilben klingt hässlich.
„sähe“: Ich liebe Konjunktiv. Im Nibelungenlied gibt es super Konjunktive: „in slüegen schachaere da er füere durch den tan“ usw. … Figuren, die Konjunktiv verwenden, besitzen bei mir mehr Bildung als Figuren, die den Konjunktiv mit „würde“ bilden.
Wenn der Konjunktiv jedoch nicht eindeutig erkenntlich ist oder wenn er doof klingt, kommt die „würde“-Form zum Einsatz. Hier sieht man es schön: „niemals härtete es ihn ab“ klänge doof wegen des -tete. (Aus eben dem Grund verwende ich auch fast nie „antwortete“. Ich kann „antwortete“ einfach nicht leiden.)
„so will ich doch trauern“: Wir sind in einem humorvollen Mittelalterroman, da darf man schwülstig reden!

Gestalten stolperten übers Schlachtfeld: Mancher Verwundete rappelte sich auf und wankte zurück in Richtung des Lagers; Knappen staksten über die Gefallenen, suchten nach ihrem Herrn und schraken zurück vor den vielen reglosen Gesichtern ihrer Bekannten. Die Thüringer waren geflohen und hatten ihre versehrten Männer zurückgelassen – die Hessen natürlich würden sich um sie erst als letzte sorgen. Am Rand drängten sich die Rösser aneinander, in Furcht ob der einsetzenden Verwesung. Totenwache schnaubte ungerührt. Wie Hagen hatte er genug Schlachtfelder gesehen und geriet über den Anblick nicht mehr in Schrecken.

„staksten“: impliziert die Furcht der Knappen; wer stakst, ist ungelenk und starr; die Knappen hier sind vor Furcht (und Ekel?) unbeholfen
„schraken“: Manchmal achte ich auch auf „Vokalharmonie“. Das „a“ in „staksten“ und „schraken“ harmoniert sehr schön.
„versehrten“: Ein Wort, das man heutzutage nur noch in Bezug auf Kriegsverletzungen liest. Es kommt in seiner mittelhochdeutschen Form mehrmals im Nibelungenlied vor, glaube ich.
„würden sich um sie erst als letzte sorgen“: Wie oben beschrieben. Hier wäre der Konjunktiv: „sorgten sich um sie erst als letzte“ irreführend. Noch liegen die Thüringer hilflos auf dem Schlachtfeld herum. Mit dem Konjunktiv wäre das evtl. nicht deutlich genug.
Dass Pferde Verwesungsgeruch nicht mögen, weiß ich nur von diversen Berichten von Soldaten des Ersten Weltkriegs.
„in Furcht ob“: Schöne, altertümliche Formulierung.

Gunther hielt sich nur mit Mühe noch aufrecht. Manchmal schloss er die Augen. Hagen verfluchte sich tausendmal, dass er ihn überhaupt mitgenommen hatte; schal und unbedeutend schien nun der Preis, der ihnen winkte. Er hasste es, wenn sein König litt.
Hinter ihnen harrte schweigend das Heer. Da! Endlich! Markgraf Gere von Trier ritt vom Schlachtfeld zu ihnen zurück.
„Sie willigen ein, Euch zu empfangen, Herr.“
„Wohlan“, sagte Gunther. Er blinzelte gegen die Tränen an und wappnete sich für den Ritt übers Schlachtfeld. „Folgt mir.“

Eine Premiere! Der erste Relativsatz in diesem Kapitel!
Relativsätze und ich: Stoff für einen separaten Blogartikel … Relativsätze, die in der Fachliteratur ihre Berechtigung haben, sollen sich in Romanen gefälligst zurückhalten. Die Autorin, die sich vorher über Relativsätze ausgelassen hatte, schreibt jetzt wieder weiter. – Ihr habt es bestimmt gemerkt! Am schlimmsten sind die Relativsätze, die den zeitlichen Ablauf unterbrechen. Der Hauptsatz spielt in der Gegenwart, dann springt der Relativsatz in die Vergangenheit, und danach geht der Hauptsatz in der Gegenwart weiter. Na toll, Autor! Jetzt hast du einen Knoten in die Zeit gemacht!
Ebenfalls dümmlich sind die Relativsätze, die unwichtige oder sehr wichtige Infos enthalten. „Sie ging durch die Türe, die sie vorher geöffnet hatte.“ „Sie zeigte auf den Mann, der mit einem Speer im Bauch im Sterben lag, und sagte: „Wissen Sie, wo es zum Outlet geht?““

Hagen ergriff die Zügel von Gunthers Pferd. „Gewisslich nicht“, sagte er scharf. „Ich reite voran, du folgst.“ Wenn ein einzelner Hesse in Verzweiflung oder Zorn einen Pfeil auf sie abschösse und Gunther träfe! Überall dräute Gefahr für Gunther. Für Hagen auch, aber was kümmerte ihn sein Leben; es gewänne erst an Wert, wenn er es geopfert hätte für seinen König.
„Sie werden meinen, ich sei nicht nur willenloses Werkzeug meines Herzogs“, sagte Gunther, „sondern auch noch feige.“
Hagen ließ die Zügel los. Zur Antwort stieß er Totenwache die Fersen in die Flanken und ritt aufs Schlachtfeld. Totenwache scheute sich nicht davor, auf Gefallene zu treten, und wäre eisigen Gemüts geradewegs über alle hinweggeschritten, hätte Hagen ihn nicht zwischen den Toten und Verwundeten hindurchgelenkt. Gunther könnte es ihm gleichtun, und bräuchte kein einziges Mal hinabzusehen.

So viel habe ich mir bei dieser Stelle nicht gedacht. Es ist aber ziemlich dreist, als Vasall dem König in die Zügel zu greifen.
„Gewisslich“: Herrlich veraltet. Es klingt aggressiver als „gewiss“.
„Für Hagen auch, aber was kümmerte ihn sein Leben“: Wenn statt des „aber“ hier ein „doch“ stünde, wäre der Satz holpriger. Das Gleiche bei „ich sei nicht nur willenloses Werkzeug meines Herzogs“: Wenn es „ein Werkzeug“ hieße, würde es längst nicht so von der Zunge fließen. Ich versuche praktisch immer, eine je nach Lage passende Rhythmik der Sätze zu beachten. Das soll nicht heißen, dass ich Silben zähle, aber ich finde, eine Silbe mehr oder weniger kann ganz viel verändern. Das liegt wahrscheinlich daran, dass mein Lieblingsbuch in Strophen verfasst ist, und ich als Jugendliche so gerne Versdramen las.
„gewänne“: Es gibt auch noch die schöne Form „gewönne“. Hier nahm ich „gewänne“, weil ich es einfacher zum Aussprechen finde.

Drei Männer standen in der Mitte des Schlachtfelds. Keiner hatte einen Bogen. Eine Sorge weniger. – Sie standen leicht gebeugt; die Haltung des Siegers, dessen Sieg zu teuer erkauft war. Kläglich flatterte das Banner über ihnen, und die Sonne blitzte auf ihren rotgeäderten Helmen. Die Männer schienen nicht angriffslustig.
Er zügelte sein Pferd. Gunther und Dankwart schlossen auf. Hagen sprang aus dem Sattel und hielt Gunther den Steigbügel.
Langsam gingen sie die letzten Schritte zu den Hessen. Nun ließ er Gunther den Vortritt; das verlangte die Würde seines Amtes. Seine Muskeln spannten sich. Er behielt die Hände der Männer genau im Auge. Wenn auch nur einer die Hand ans Heft legte, würde er sich vor Gunther werfen und den Hieb abwehren.

Die Sätze werden kürzer. Hagen erhöht jetzt seine Wachsamkeit und hat darum keine Zeit für längere Gedankengänge.
„würde er sich vor Gunther werfen und den Hieb abwehren.“ –> „würfe“ klingt zu übertrieben. Würde man sich das Buch vorlesen (lassen), dächte ein moderner Zuhörer vielleicht erst an das Substantiv „Würfe“ und wäre kurz verwirrt. Und warum nicht „wehrte den Hieb ab?“ Weil das letzte Wort eines Satzes wegen seiner exponierten Position mehr auffällt als die vorhergehenden. Ein Satz, der auf einem lahmen letzten Wort endet, wirkt seicht/lächerlich/lahm, je nach Eigenschaft des letzten Wortes. „Ab“ ist ein lahmes letztes Wort. „Abwehren“ ist stark.

Gunther blieb stehen. „Ich grüße Euch, Heinrich von Hessen“, sagte er.
Heinrichs Blick streifte ihn nur kurz. Das burgundische Heer hinter ihnen bannte seine Aufmerksamkeit.
„Ihr seid gekommen“, sagte Heinrich drauf mit schwacher Stimme. Er streckte die Hand aus. – Ruhig Blut! Sie war leer.
Gunther ergriff sie. Heinrichs Linke hing neben seinem Dolch. Er könnte ihn ziehen und Gunther erstechen! Sie standen so nah beieinander! Noch war seine Hand reglos, noch hatte sie den Dolch nicht gefasst – Sie ließen wieder los. Gunther stand trotzdem noch in Reichweite der hessischen Schwerter. Hagen packte ihn an der Schulter und zog ihn zurück. Die ersten Worte oblagen ohnehin ihm.

Dass Gunther Heinrich mit Namen und Land anspricht, wirkt so herrlich lächerlich mittelalterlich! Wäre dieses Buch ein ernstes Buch, hätte ich „Heinrich von Hessen“ weggelassen.
„bannte seine Aufmerksamkeit“: Schön veraltet. Außerdem: Daland zu Senta im „Holländer“: „Du bleibst gebannt auf deiner Stelle …!“
„sagte Heinrich drauf“: „Darauf“ klingt moderner als „drauf“. „Drauf“ klingt entweder veraltend oder umgangssprachlich. Die zusätzliche Silbe von „darauf“ hätte nicht dazu gepasst.
„Ruhig Blut!“ – Sollte Hagens Lebensmotto sein. Ein Spruch, der in diesem Buch noch öfter fällt.
Die Sätze werden noch kürzer, parallel zur steigenden Anspannung des Perspektivträgers. Es treten sogar Ausrufezeichen auf, sogar bei zwei Sätzen hintereinander.
„oblagen ohnehin ihm“: Das gehobene „oblagen“ wird durch das gewöhnliche „ohnehin“ etwas gebrochen.

„Wir sagten Herbert von Thüringen unsere Waffenhilfe zu. Doch ein Unstern oder Gottes Wille führte uns zu spät aufs Schlachtfeld. Ihr habt ihn besiegt, bezahltet den Zoll für Euren Triumph. Wie viele denn habt Ihr verloren?“

Auf einmal ganz andere Rhythmik, geradezu pathetisch. Es klingt nicht wie normale Sprache, unterscheidet sich auch deutlich von den kurzen Stellen wörtlicher Rede vorher, und ist auch eindeutig rhythmischer als die anderen Sätze. Das hat zwei Gründe: 1.: Soll hiermit angedeutet werden, dass die Wormser einen Plan ausführen. Hagens einleitende Worte klingen wie auswendig gelernt. Sie klingen auch sehr formelhaft, und, so empfinde ich es, arrogant. 2.: Hagen als der große Intrigant der deutschen Sage hat gewiss ein Talent dafür, den Leuten seinen Willen aufzuschwatzen. Ich nehme an, der Schlüssel zu erfolgreichem Intrigantentum ist Charisma. Charisma kann man auf dem Papier schwerlich darstellen (vor allem, wenn man selber charismatisch wie Knäckebrot ist 😉 ), also versuchte ich mir mit spezieller Rhythmik zu behelfen. Immer wenn Hagen in seinen „Intriganten-Modus“ verfällt, klingt er wie eine Dramenfigur. Ich hoffe, dem Leser geht es wie den anderen Figuren, er nickt dazu und sagt: „Ich weiß zwar nicht, was gemeint ist, aber die Hebungen und Senkungen der Silben sind cool. Ich stimme zu.“
„ein Unstern oder Gottes Wille“: Euphemismus für „Wir kamen absichtlich zu spät!“
„bezahltet den Zoll“: Anspielung an Wagners „Walküre“. Hunding singt zu Siegmund: „Für Tote zahlst du mir Zoll!“
„Wie viele denn habt Ihr verloren?“: Da sieht man, was ein einzelnes Wörtchen ausmachen kann, nämlich das kleine „denn.“
„Wie viele habt Ihr verloren?“ klingt locker und lässig, geradezu positiv.
„Wie viele habt ihr denn verloren?“ klingt schadenfroh, ungerührt und spöttisch. Ich sehe dann einen preußischen Offizier vor mir, der im Türrahmen lehnt, eine Zigarre raucht und Gablenz nach der Schlacht bei Königgrätz ganz spöttisch nach den österreichischen Verlusten fragt. (Nicht, dass ich alle preußischen Offiziere für spöttisch halte. Preußen waren auch nur Menschen. Viele meiner Bücher sind schließlich von Preußen inspiriert.)
„Wie viele denn habt Ihr verloren?“ Das ist die Mittelalter-Variante.

Das war ein Einblick in die Gedanken meines Kopfes, wenn ich einen Text schreibe. Außerdem denke ich nach über Kommas, Gedankenstriche und Strichpunkte und ob ich mal wieder einen neuen Stift kaufen soll.

 

*Lili Vogel tippt nicht, Lili Vogel stammt geistig aus dem 11./12./19. Jahrhundert und schreibt von Hand.

**Warum diese Stelle? Die Wormser, die Wormser, die Wormser!

Veröffentlichung: Dietrich von Bern

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Dietrich von Bern, professioneller Held, bestreitet seinen Lebensunterhalt mit dem Retten von Jungfrauen und dem Bezwingen von Schurken. Eines Tages bittet ihn kein Geringerer als Hagen von Tronje um Hilfe: Sein König Gunther wurde entführt und muss befreit werden. Plötzlich sieht sich Dietrich in ein Wirrwarr aus Rache und Intrigen hineingezogen.
Blutrünstige Prinzessinnen, kriegerische Zwerge, ein Galgen, ein Sänger und dramatische Kämpfe: Lili Vogels Roman entführt den Leser mit viel Humor in die Zeit der Sagen und Helden.

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Dieses Buch spielt nicht in der Welt von Huwelreich, stattdessen führt es uns in die Welt der Sagen. Und ich muss zugeben: Selten haben mir die Antagonisten einer Geschichte so viel Spaß gemacht wie hier. Die Protagonisten sind aber auch nicht ohne …

DvBMA ist Dietrich von Bern!

Lange habe ich nichts mehr von mir hören/lesen lassen, dann habe ich kommentarlos zwei Buchtrailer veröffentlicht, und jetzt komme ich gleich mit großen Neuigkeiten:

Projekt DvBMA ist fertig! Es wird nur noch ein letztes Mal korrekturgelesen, und dann wird er veröffentlicht!
Und hinter diesem Kürzel verbirgt sich kein anderer als Dietrich von Bern, der große Held der deutschen Sagenwelt. Er kämpfte gegen Riesen und Zwerge, gegen Drachen, gegen Siegfried von Xanten und gegen viele andere prominente Persönlichkeiten des sagenhaften Mittelalters. Doch in diesem Roman erlebt er ein Abenteuer, das noch niemand kennt! Aber keine Sorge, Dietrich erhält Unterstützung von seinem treuen Begleiter Hildebrand, von einem Sänger, und von einem Bären.
Demnächst erfahrt ihr den Klappentext! Außerdem kann ich es kaum erwarten, bis ich das Cover enthüllen darf, aber eins nach dem anderen, es soll spannend bleiben …

DvBMA und Kampfszenen

Findest du es auch inspirierend und motivierend, auf Blogs herumzustöbern, in denen Autorinnen über den Fortschritt ihrer Projekte berichten? Davon bekommt man gleich wieder Elan für das eigene Werk. Ja, ich finde, das friedliche Wachstum von anderen Büchern wirkt ansteckend. Es ist schön zu sehen, wenn Kreativität gedeiht und blüht. – Am meisten mag ich die Blogs, in denen die Autorinnen auch einmal mehr von ihren aktuellen Projekten verraten.
Und damit die Autorinnen unter meinen Leserinnen ebenso inspiriert werden, gebe ich euch heute schon wieder ein Update zu Projekt DvBMA.
Demnächst habe ich die 75%-Marke geschafft. Dieses Buch hat wirklich viele Kampfszenen, und es sieht so aus, als ob sie von Szene zu Szene besser werden. Da sieht man: Übung macht den Meister. Außerdem steht von Szene zu Szene mehr auf dem Spiel.
Der Protagonist sitzt nun im Kerker! Meine Lieblinge dagegen befinden sich ganz cool in ehrenvoller Haft; die sind irgendwie immer obenauf. Einer von beiden sieht übrigens sehr gut aus, laut Autorin.
Gestern schrieb ich sogar einen Kampf auf Pferden. Da kam es mir zugute, dass ich in meiner Kindheit die Bücher der Blitz-Reihe nur so verschlungen habe.
Das soll meinen Leserinnen als Inspiration für heute reichen. Allen, die hier vorbeischauen, und ein Buch zu schreiben haben, wünsche ich frohes Schaffen, und allen anderen auch! – Und denen, die nun gedenken, ein Buch von Lili Vogel zu lesen, schicke ich liebste Grüße, in der Hoffnung, dass es euch gefällt!